Gedenkfeier zum 100. Todestag des "Roten Pfalzgrafen" Franz Josef Erhart

Veröffentlicht am 29.07.2008 in Allgemein

Am 20. Juli 2008, dem hundertsten Todestag von Franz Josef Erhart, legten Mitglieder der Ludwigshafener SPD und der Freireligiösen Gemeinde einen Kranz an seinem Grab auf dem Hauptfriedhof nieder.

Am 20. Juli 2008, dem hundertsten Todestag von Franz Josef Erhart, legten Mitglieder der Ludwigshafener SPD und der Freireligiösen Gemeinde einen Kranz an seinem Grab auf dem Hauptfriedhof nieder. Anlässlich dieser Gedenkstunde sprachen der Landtagsabgeordnete und Unterbezirksvorsitzende Günther Ramsauer sowie die Landessprecherin der Freireligiösen, Renate Bauer, kurze Grußworte. Der Inhalt ihrer Ansprachen war maßgeblich beeinflusst von folgendem Artikel von unserem Historiker Dr. Klaus-Jürgen Becker, den wir zur Lektüre sehr empfehlen möchten.

Franz Josef Ehrhart - Ein Gründungsvater der Ludwigshafener Sozialdemokratie

Franz Josef Ehrhart siedelte sich im Spätsommer 1884 - 31jährig und bereits als renommierter sozialdemokratischer Funktionär bekannt - in Ludwigshafen an. Er eröffnete zum Broterwerb ein Möbel- und Tapeziergeschäft. Im November 1889, als noch unter dem Sozialistengesetz, wurde er als erster Sozialdemokrat überhaupt in den Ludwigshafener Stadtrat gewählt.

Nach dem Fall des Sozialistengesetzes am 1. Oktober 1890 wurde er zum unumstritten Führer der pfälzischen Sektion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Ehrhart - ursprünglich ein Parteilinker - orientierte sich auf Grund seiner positiven Erfahrungen im Ludwigshafener Stadtrat immer weiter hin zu den Reformern in der SPD, bis er schließlich als einer der bekanntesten süddeutschen Revisionisten galt, wie sie von ihren marxistischen Kritikern bezeichnet wurden.

Entsprechend entwickelte sich auch der pfälzische Bezirksverband unter der Führung von Franz Josef Ehrhart zu einer festen Stütze des Reformismus innerhalb der Partei.
Der Aufbau der pfälzischen SPD unter Ehrhart war so vorbildlich, dass er teilweise von der bayerischen SPD, zu der die pfälzische SPD dank der Zugehörigkeit der Pfalz zu Bayern organisatorisch gehörte, übernommen wurde.
In Anerkennung seiner politischen und organisatorischen Leistungen räumte die bayerische SPD Ehrhart bei der Landtagswahl 1893 einen sicheren Wahlkreis in Nürnberg ein, so dass er mit vier weiteren Genossen in den bayerischen Landtag und gleichzeitig in den bayerischen Parteivorstand einziehen konnte.
Er übernahm sowohl den stellvertretenden Fraktion- wie Landesvorsitz.
Im Landtag lag seine Haupttätigkeit naturgemäß in der Sozialpolitik - besonders bekannt ist seine Broschüre über "Die Zustände in der BASF" von 1892. Weitere Arbeitsschwerpunkte Ehrharts im Landtag waren der Ausbau des pfälzischen Eisenbahnnetzes und eine Demokratisierung der Justiz.
Ehrhart bemühte sich zur Erreichung seiner Ziele von Anfang an um eine sozialdemokratische Realpolitik: Die Zustimmung der SPD zum Haushalt 1894 als Ausdruck dieser Politik galt zu diesem frühen Zeitpunkt innerparteilich und öffentlich als Sensation.
Zur Weiterentwicklung der sozialdemokratischen Arbeit in der Pfalz war auch die Herausgabe einer eigenen Zeitung unumgänglich: Am 1. Oktober 1894 erschien zum ersten Male die "Pfälzische Post" .Die Gesamtleitung lag natürlich bei Franz Josef Ehrhart.
Nach der Verteidigung seines Stadtratsmandates im November 1894 stellte sich Ehrhart der Aufgabe der Erreichung seines höchsten politischen Zieles; der Erringung eines pfälzischen Reichstagsmandates für die SPD.
Im Juni 1898 wurde dieses Ziel in der Stichwahl erreicht.
Damit begründete Ehrhart eine fast 100jährige Tradition. Immerhin konnte das Mandat im Wahlkreis Ludwigshafen-Speyer-Frankenthal anschließend bis 1990 bei allen freien Wahlen verteidigt werden.
Im Reichstag wirkte Ehrhart als Sprecher seiner Fraktion in Fragen der Weingesetzgebung - welch Überraschung bei einem pfälzischen Abgeordneten - und natürlich bei Beratungen zu Problemen der Pfalz.
Bei der Landtagswahl im Juli 1899 zog Ehrhart als Ludwigshafener Abgeordneter erneut in den Landtag von Bayern ein; die SPD-Fraktion war gleichzeitig auf elf Mitglieder gewachsen. Dies dank einer Wahlabsprache Ehrharts mit dem katholischen Zentrum; die verwandten heutigen politischen Verhältnisse in Ludwigshafen haben also auch ebenfalls mehr als eine hundertjährige Tradition.
Zum Abschluss des Parteitages 1899 in Hannover wurde er in die neunköpfige Kontrollkommission des Parteivorstandes gewählt, womit er zum Mitglied des erweiterten Parteivorstandes aufstieg.
Im Dezember 1899 erreichte die SPD mit sieben Mandaten erstmals die Fraktionsstärke im Ludwigshafener Stadtrat - wie selbstverständlich übernahm Ehrhart auch hier die Fraktionsführung.
Noch im August 1907 beteiligte er sich am Internationalen Sozialistenkongress in Stuttgart und erstattete über dessen Verlauf seinen pfälzischen Parteifreunden anschließend einen "lebensvollen" Bericht.
Dennoch starb er viel zu früh im Alter von 55 Jahren am 20. Juli 1908 an einem Hirnschlag.
Am 23. Juli 1908 trug die Partei den "Roten Pfalzgraf vom Rhein" wie ihn Freund und Feind nannten, zu Grabe; viele Tausend Menschen folgten seinem Sarg. Die Stadt Ludwigshafen hat in ihrer nun 150jährigen Geschichte keinen größeren Trauerzug mehr gesehen.

 

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