TTIP - fair statt entfesselt

Veröffentlicht am 03.07.2015 in Europa

Welthandel braucht Regeln. Ein Abkommen wie TTIP ergibt für die Bürgerinnen und Bürger nur Sinn, wenn wir damit die entfesselte Globalisierung in soziale und gerechte Bahnen lenken. Dafür stellen wir zehn Forderungen an die Verhandelnden.

Das Europäische Parlament in Straßburg sollte ursprünglich am Mittwoch, 10. Juni 2015 eine Resolution zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) verabschieden. Diese Resolution sollte die Empfehlungen und Anforderungen des Europäischen Parlaments zum Abkommen mit den Vereinigten Staaten enthalten.

Die Abstimmung wurde am Dienstag vom Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, ausgesetzt. Mit Verweis auf Artikel 175 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments wurde die TTIP-Resolution zurück in den Handelsausschuss verwiesen. Eine Zurückweisung an den Ausschuss ist möglich, wenn mehr als 50 Änderungsanträge für das Plenum eingegangen sind. Zur TTIP-Resolution waren 116 Änderungsanträge eingegangen.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind jederzeit bereit, über den Text der Resolution abzustimmen. Denn bereits im Vorfeld haben wir eine Reihe von zentralen Anforderungen an ein solches Abkommen formuliert. An diesen werden wir das ausgehandelte Abkommen messen und unsere Zustimmung oder Ablehnung festmachen.

Für uns und unseren Berichterstatter Bernd Lange sind diese Anforderungen maßgeblich für die Erarbeitung der TTIP-Resolution, die der federführende Ausschuss für internationalen Handel bereits am 28. Mai mit großer Mehrheit beschlossen hat. Diese Resolution soll den Verhandlungsführern auf beiden Seiten des Atlantiks zeigen, welche Forderungen das Europäische Parlament an ein zukünftiges TTIP-Abkommen stellt. Dies hat umso mehr Gewicht, da ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments TTIP nicht in Kraft treten kann.

Daher ist es ein großer Erfolg der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, die in den letzten Monaten in weiten Teilen der Öffentlichkeit geäußerten Kritikpunkte aufgegriffen und in konkrete Anforderungen übersetzt zu haben.

In langwierigen Kompromissverhandlungen mit den anderen Fraktionen, insbesondere mit der Fraktion der Europäischen Volkspartei, konnten wir alle unsere zentralen Forderungen durchsetzen und in die zur Abstimmung gestellte Gesamtresolution einbringen. Im Einzelnen sind das:

  • 1. Mit dem Europäischen Parlament soll es keine privaten Schiedsstellen (ISDS) zur Entscheidung von Investitionsschutzstreitigkeiten mehr geben. Die bestehenden Rechtswege zwischen den USA und der EU sowie ihren Mitgliedstaaten sind hinreichend und sichern sowohl inländischen als auch ausländischen Investoren ausreichende, gleiche und nichtdiskriminierende Rechtsmittel zu. Sollte es jenseits nationaler Rechtswege noch ungelöste Fragen in Investitionsdisputen geben, soll die Möglichkeit eines ergänzenden Systems von Investitionsgerichten geschaffen werden. Diese sollen öffentlich tagen und von öffentlich ernannten und unabhängigen Richtern geführt werden. Solche Investitionsgerichte hätten darüber hinaus die europäischen und nationalen Gesetze sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes einzuhalten. Private Schiedsgerichtsstellen sind damit eindeutig ausgeschlossen. Leider haben interessierte Akteure im Nachklang zu der Entscheidung im Ausschuss versucht, dies zu relativieren, z.B. "Business Europe", der "europäische BDI". Deswegen halten wir daran fest, eine Klarstellung einzubringen, um den Ausstieg unmissverständlich zu beschreiben.
  • 2. Weitreichende Arbeitnehmerrechte: Handelsabkommen mit anderen Teilen der Welt müssen Regeln für die globalisierte Wirtschaft enthalten, damit Handel wirklich fair und gerecht von statten gehen kann. Wir wollen in TTIP ein bindendes und durchsetzbares Nachhaltigkeitskapitel verankert sehen. Zentrale Richtlinien zur Durchsetzung von Arbeitsschutz- und -rechtsstandards sollen ratifiziert und umgesetzt werden. Dazu gehören die acht ILO-Kernarbeitsnormen, die sogenannte ILO Decent Work Agenda, die Regeln für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln sowie die OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen. Sozialpartner und Zivilgesellschaft sollen die Umsetzung dieser Standards überprüfen. Allgemein sollen Arbeitnehmerrechte nicht nur im Rahmen des Nachhaltigkeitskapitels bindend verankert werden, sondern auch in den anderen Teilen des Abkommens, etwa bei Investitionen, Dienstleistungen und bei öffentlicher Beschaffung. Und sie sollen einklagbar sein. Solch ein umfassendes Kapitel zu den Arbeitnehmerrechten ist damit erstmalig durchgesetzt worden.
  • 3. Die kulturelle Vielfalt der Europäischen Union soll von den Regelungen durch TTIP nicht berührt werden. Die Medienfreiheit sowie die kulturelle Vielfalt sollen auch zukünftig unabhängig von der genutzten Plattform oder Technologie bestehen bleiben und geschützt werden. Ebenso sollen die europäischen Mechanismen zur Förderung und Subventionierung von kulturellen, audiovisuellen und medialen Dienstleistungen unangetastet bleiben. Die Buchpreisbindung soll darüber hinaus in ihrer jetzigen Form bestehen bleiben.
  • 4. Auch bei der öffentlichen Daseinsvorsorge konnten wir weitreichende Ausnahmen durchsetzen. Dienstleistungen im allgemeinen öffentlichen Interesse und Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse, bspw. die Wasserversorgung und soziale Dienste werden ausgenommen. Länder und Kommunen sollen weiterhin die Möglichkeit haben, die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen nach ihren Interessen zu gestalten. Eine Beschränkung von Möglichkeiten der Rekommunalisierung wird es nicht geben. 
  • 5. Der Markt für Dienstleistungen für ausländische Investoren wird nur nach einem "Positiv"-Listenansatz geregelt: Das bedeutet, dass nur Dienstleistungen, die hier explizit genannt sind, für ausländische Investoren geöffnet werden können. Damit besteht Klarheit. Bereiche, die geschützt werden sollen, bleiben außen vor und auch neue Dienstleistungen sind nicht automatisch erfasst.
  • 6. Bei den Verbraucherstandards soll es keine Kompromisse geben. Eine Herabsetzung europäischer Standards bei Lebensmitteln und der Umwelt wird es zugunsten eines Abkommens nicht geben. Dies gilt auch für genetisch veränderte Lebensmittel und deren Kennzeichnung, nicht nur für die bestehende sondern auch für zukünftige EU-Gesetzgebung. Klonfleisch, gentechnisch verändertes Fleisch oder Hormonfleisch wird es auf europäischen Tellern nicht geben. 
  • 7. Die Koordinierung von Standards, die so genannte regulatorische Kooperation,darf die Gesetzgebungskompetenz und Prozesse demokratischer Willensbildung unter keinen Umständen unterlaufen oder diesen Prozess auch nur verlangsamen. Es gilt das Primat der europäischen und nationalen Gesetzgebung.
  • 8. Der Datenschutz muss sich an der geltenden europäischen Datenschutzrechtsprechung orientieren. Dies gilt auch für eine zukünftige Datenschutzgrundverordnung in der EU. Der Schutz persönlicher Daten muss in allen Teilen des Abkommens gesichert, garantiert und respektiert werden.
  • 9. Zukünftig muss es eine größere Transparenz bei den Verhandlungen zu TTIP geben. Alle Mitglieder des Europäischen Parlaments sollen vollen Zugang zu den Verhandlungsdokumenten von TTIP erhalten und die Öffentlichkeit muss einen verbesserten Zugang zu Informationen erhalten.
  • 10. Darüber hinaus konnten eine Reihe weiterer wichtiger Forderungen in die Entschließung des Parlaments aufgenommen werden: So soll eine verbindliche Menschenrechtsklausel die Sicherung der Grundrechte garantieren. Massenhafte Spionage muss beendet werden.

Unsere Position ist klar: Wir sind bereit den Text der Resolution abzustimmen. Wenn andere Gruppen innerhalb des Europäischen Parlaments Zeit benötigen, sich unseren Forderungen anzuschließen, so laden wir sie dazu ein. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten brauchen uns hinter dem bisher Erreichten nicht zu verstecken und werden uns weiter mit aller Kraft dafür einsetzen. Wir haben mehr Arbeitnehmerrechte, mehr soziale Verantwortung von Unternehmen in allen Branchen, eine Sicherung europäischer Standards und nicht zuletzt die Zurückweisung von privaten Schiedsgerichten durchgesetzt. Diese Errungenschaften verteidigen wir.

Erklärung der SPD für Europa.

 

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